1. Allgemeine Betreuungssituation
1a. Welche Pläne haben Sie, den steigenden Bedarf in Zukunft zu decken? Bitte beschreiben Sie kurzfristige und langfristige Pläne.
Seit 2016 ist die Zahl der Geburten kontinuierlich um rund 250 Kinder pro Jahr angestiegen, weitere 50 ziehen jedes Jahr zusätzlich nach Darmstadt. Der Bedarf nach Betreuungsplätzen ist damit weiterhin hoch. Kurzfristig werden wir in Abstimmung mit den Trägern überprüfen, wo und wie bestehende Krippen und Kitas neue Gruppen und damit neue Plätze schaffen können. Das gilt bspw. für den Stadtteil Wixhausen. Dort stoßen die bestehenden Einrichtungen an ihre Kapazitätsgrenze.
Während Stadtteile wie Bessungen und das Martinsviertel inzwischen ein gutes Angebot an Betreuungsplätzen (sowohl U3 als Ü3, städtische, freie und kirchliche Träger) aufweisen, fehlt es insbesondere in Eberstadt und Kranichstein an ausreichend Plätzen. So beträgt der Versorgungsgrad im U3-Bereich in Eberstadt nur 35,9 Prozent, in Kranichstein 38,3 Prozent. Dadurch verschärfen sich bestehende Ungleichheiten. Die SPD wird ihren Fokus beim langfristigen Kitaausbau daher besonders auf diese Stadtteile legen und so eine wohnortnahe Betreuung für ganz Darmstadt sicherstellen. Der Ausbau der Kinderbetreuung ist für uns elementarer Bestandteil der Stadtteilentwicklung.
1b. Darmstadt bietet eine große Vielfalt an Menschen und auch der Einrichtungs-Landschaft. Wie positionieren Sie sich zu der Einführung stadtweiter Qualitätsstandards gegenüber der Wahrung der Individualität von Einrichtungen? Wie kann ein Mittelweg zum Wohle der Kinder aussehen?
Die Trägerlandschaft in Darmstadt ist vielfältig: sowohl was die Zahl der betreuten Kinder als auch die pädagogische Ausrichtung angeht. Die SPD bekennt sich zur Trägervielfalt und wird allen Trägern auf Augenhöhe eine verlässliche Partnerin sein. Für uns ist klar, dass die Stadt über Qualitätsstandards die Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung festlegt. Damit müssen alle Einrichtungen gewisse Mindeststandards erfüllen. Standards sind für uns die Leitlinien innerhalb derer, jede Einrichtung ihren Weg gehen soll.
Dabei ist uns wichtig, dass alle Einrichtungen eine kompetente Fachberatung erhalten. Die Corona-Pandemie hat nochmal deutlich gezeigt, wie wichtig der Austausch auch zwischen verschiedenen Einrichtungen und Trägern ist. Denn die Bedingungen und Räumlichkeiten sind von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich. Damit muss auch jede Einrichtung und jeder Träger schauen, wie Landesvorgaben vor Ort umgesetzt werden.
Durch einen gestiegenen Anspruch an die Kindertagesstätten in Bezug auf Qualität kommt der Fachberatung als Unterstützungssystem eine zunehmend wichtige Rolle zu. Die SPD wird die bisher zur Verfügung stehenden städtischen Mittel aufstocken und sich dabei an der Anzahl der Fachkraftstellen und der betreuten Kinder orientieren.
2. Qualität der Betreuungssituation
2a. Liegt es in Ihrem Interesse, die Betreuungsschlüssel für Darmstädter KiTas zu senken, wenn ja, wie möchten Sie dies vorantreiben?
Mehr Qualität in den Kitas erreichen wir durch mehr Personal. Deshalb ja, wir sprechen uns dafür aus, das Personal in den Kitas zu erhöhen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Bedarf nach Erzieher*innen und Sozialpädagog*innen ist in den letzten Jahren gestiegen, der Fachkräftemarkt ist nahezu leer. Die fehlende oder unzureichende Vergütung in der Ausbildung stellt hier ein zentrales Problem dar. Die SPD wird deshalb in bezahlte Ausbildung investieren. Wir setzen uns beim Land und Bund dafür ein, das auf zwei Jahre befristete Programm „Praxisintegrierte vergütete Ausbildung (PiVA)“ fortzusetzen und weiter zu finanzieren. Wir stellen kommunale Mittel bereit, um das Projekt in Darmstadt weiterzuführen und auszubauen. Wir werden soziale Einrichtungen, die noch keine Fachkräfte ausbilden, auf dem Weg zur bezahlten Ausbildung beraten und unterstützen. Außerdem werden wir die finanziellen Perspektiven des Berufs in Darmstadt durch eine bessere Bezahlung verbessern (siehe dazu auch unsere Antwort zur Frage 2c).
2b. Ist eine Erhöhung der finanziellen Mittel für Einrichtungen, sowohl in spezifischen Ausgabenbereichen als auch zur selbstgewählten Verfügung, geplant?
Die Träger der Kindertagesstätten und die Stadt selbst erfüllen mit der Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen eine kommunale Pflichtaufgabe. Dafür müssen die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Wir garantieren trotz einjähriger Haushaltsplanungen Planungssicherheit für Träger und Einrichtungen. Wir werden die Leistungsvereinbarungen zwischen Stadt und Trägern fair, transparent und unbürokratisch gestalten. Finanzierungszusagen halten wir ein, verlängern diese und werden sie wo nötig dynamisieren.
Aus unserer Sicht gilt es zu überprüfen, ob die Mittel für Hauswirtschafts- und Reinigungskräfte angepasst werden können. Durch eine Erhöhung dieser Mittel schaffen wir Freiräume im Arbeitsalltag der Erzieher*innen, die für pädagogische Arbeit genutzt werden können. Wir wollen außerdem jede Darmstädter Kita dabei unterstützen, Teil des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ zu werden. Damit stehen zusätzliche Mittel für die alltagsintegrierte sprachliche Förderung bereit.
Mit dem Beschluss des Gute-Kita-Gesetzes auf Bundesebene im Jahr 2019 hat die SPD 412 Millionen Euro für die Verbesserung der Kinderbetreuung in Hessen bereitgestellt. Ein Teil der Mittel fließt in die Finanzierung der teilweisen Freistellung der Kita-Leitung vom Kinderdienst. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Mittel auch nach 2022 vom Bund weiter zur Verfügung stehen und wollen wo nötig, eine kommunale Mit-Finanzierung ermöglichen.
2c. Welche Maßnahmen möchte Ihre Partei umsetzen, um die MitarbeiterInnen in den Einrichtungen respektvoll – darunter verstehen wir zusätzlich zu den zurzeit vertraglich festgesetzten Pflichten als ArbeitgeberIn – für ihre gesellschaftlich wertvolle Arbeit zu entlohnen?
In unserem Wahlprogramm finden sich 306 Forderungen. Unsere Nummer 1 lautet: Erzieher*innen besser bezahlen. Die Wertschätzung der Arbeit von Erzieher*innen muss sich auch ganz konkret in der Bezahlung bemerkbar machen. Die SPD hat daher in den letzten drei Beratungen zum städtischen Haushalt eine Höhergruppierung der Erzieher*innen beantragt. Die Stadtregierung aus Bündnis 90/Die Grünen und CDU lehnte diesen Vorschlag bisher immer ab. Wir wollen mindestens die Einstufung der Erzieher*innen in die Entgeltgruppe S8b. Das macht je nach Erfahrungsstufe bis zu 5.500 Euro mehr pro Jahr und Erzieher*in aus. Wir wollen, dass diese Tarifstufe für alle Erzieher*innen in Darmstadt gilt und keine Sonderverträge unterhalb des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst mehr möglich sind.
Die SPD wird die Stadt und Stadtwirtschaft als soziale Arbeitgeberin entwickeln. Dabei beschränken wir uns nicht nur auf betriebliche Bestimmungen, sondern stellen bezahlbaren Wohnraum bereit. Gemeinsam mit den öffentlichen Unternehmen der Sozialwirtschaft wie dem Klinikum oder dem Eigenbetrieb Darmstädter Werkstätten und Wohneinrichtungen sowie dem Bauverein werden wir Wohnungen nach dem Kostendeckungsprinzip für Beschäftigte der Kranken- und Altenpflege, der inklusiven Einrichtungen, der Kindertagesstätten und weiteren Sozialberufen vermieten. Das senkt die Mieten für die Beschäftigten, dämpft den Mietspiegel und stärkt die Sozialberufe in Darmstadt. Darüber hinaus wird die SPD die freien Träger bei der Einführung eines Jobtickets unterstützen. Das, was städtische Mitarbeiter*innen bereits erhalten, wollen wir auch für die Mitarbeiter*innen der freien Träger (durch Anpassung der Betriebskostenzuschüsse) möglich machen. Dort wo sich zu wenig Mitarbeitende für ein Jobticket finden, machen wir mit der Einführung eines 300-Euro-Tickets Bus und Bahn für alle attraktiv.
3. Vernetzung Stadt und Eltern
3a. Wie stellen Sie sich zukünftig die Zusammenarbeit mit dem Hauptelternbeirat vor? In welche Themen wollen Sie die Eltern besonders einbinden, wo die Zusammenarbeit stärken?
Das Hessische Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch regelt die grundlegende Beteiligung von Eltern durch Elternversammlungen und Elternbeiräte in den Kitas. Deshalb setzen wir sowohl in der Einbindung der Eltern als auch in der Zusammenarbeit mit dem Hauptelternbeirat auf vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit. Dabei ist uns wichtig, dass beide Seiten stets ansprechbar sind und im regelmäßigen Austausch stehen. Denn viele Probleme lassen sich durch gute und frühzeitige Kommunikation aus der Welt schaffen. Gleichzeitig können auf diese Art und Weise die vielen unterschiedlichen Interessen innerhalb einer Kita (Eltern, Kinder, Erzieher*innen) zusammengebracht werden.
Unterschiedliche Strukturen von Elternschaft und Familie beeinflussen die Zusammenarbeit mit Eltern. Die Ressourcen und das Interesse Zeit für die Kita aufzubringen, ist von Familie zu Familie unterschiedlich. Das ist uns bewusst. Das Elternhaus ist aber gleichzeitig ein wichtiger Faktor für den Bildungserfolg eines Kindes: Daten belegen, dass die größten Lernerfolge bei Kindern erst dann erzielt werden, wenn Lernen nicht nur in Kita oder Schule stattfindet, sondern auch durch die Eltern unterstützt wird. Das fällt aber nicht allen Familien leicht. Kinder und Familie, die bspw. durch Familienpat*innen, Integrationskräfte oder das Bildungs- und Teilhabepaket entlastet werden können, sollen diese Hilfsangebote auch in der Kita kennenlernen.
Die letzten zwölf Monate haben gezeigt, wie wichtig eine stetige Kommunikation zwischen Eltern, Kita und Politik / Verwaltung ist. Sie ist nicht nur wichtig, um über aktuelle Regelungen und die Betreuungssituation zu informieren. Aus unserer Sicht ist sie auch wichtig, um den Kontakt zu den Familien und Kindern nicht zu verlieren.
3b. Was halten Sie von einer stärkeren politischen Einbindung der Elternschaft in aktive politische Prozesse, wie zum Beispiel ein Sitz im Jugendhilfeausschuss oder ähnlichem?
Wir begrüßen es, wenn Eltern sich für ihre Interessen und die Interessen ihrer Kinder einsetzen. An der Mitarbeit im Fachausschuss Kinderbetreuung durch den Hauptelternbeirat halten wir fest. Aus unserer Sicht wäre ein beratender Sitz im Jugendhilfeausschuss – analog zum Stadtelternbeirat – sinnvoll.
4. Persönliches Statement
Unabhängig von unseren Fragen würde uns interessieren, welchen Stellenwert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Ihrer geplanten Politik hat, welche Unterstützung von Familien in herausfordernden Situationen wie zum Beispiel der Corona Krise planen und welche Schwerpunkte und Chancen zu Teilhabe und pädagogischer Bildung Sie im Bereich der Kinderbetreuung sehen. Wir freuen uns über Ihr Statement!
Es gibt Lebensphasen, in denen uns unsere Familie mehr braucht als in anderen Phasen. So stehen Familien vor der Herausforderung, ihre Kinder durch Kita, Schule und bei Freizeitaktivitäten zu begleiten, während sie gleichzeitig beruflich gefordert sind. Alle Familien – unabhängig vom Familienmodell – kennen das Problem, dass der Tag meist zu wenig Stunden hat für alle Aufgaben, die es zu erledigen gilt. Wir möchten, dass die Familien, Kinder und Jugendlichen, die Unterstützung benötigen, sie auch bekommen. Dazu wollen wir die Kitas zu lokalen Familienzentren weiterentwickeln. Wir wollen dort Beratungsangebote zu Fragen von Erziehung, Gesundheit und Medienkonsum anbieten.
Um Familien finanziell zu entlasten, streben wir eine echte Beitragsfreiheit an – ganztags und für alle Altersgruppen. Die Gebührenfreiheit der Betreuungseinrichtungen ist dabei eine einzigartige indirekte Einkommenserhöhung für junge Eltern. Wir werden daher Druck auf die Landesregierung machen, um die Kita-Gebühren abschaffen zu können.
Mehr Kinder in Darmstadt macht nicht nur mehr Betreuungsplätze im U3 und Ü3-Bereich nötig, sondern führt auch dazu, dass wir dringend neue Grundschulen brauchen. Die SPD wird deshalb bis 2025 fünf neue Grundschulen bauen. Bis unsere Schulen echte gebundene Ganztagsschulen mit eigenen pädagogischen Konzepten sind, benötigen Familien eine zuverlässige und pädagogisch begleitete Betreuung. Der Pakt für den Nachmittag bietet keinen Betreuungszeiten, wie sie viele Familien benötigen. Solange Schulen keine echten Ganztagsangebote bereitstellen, werden wir deshalb die Horte in Darmstadt erhalten. Außerdem setzen wir auf den Ausbau der sozialräumlichen Schulsozialarbeit, um auch Kinder und Jugendliche in verschiedenen Lebensphasen und bei Problemen zu unterstützen.
Wir wollen Familien mit bezahlbaren Wohnungen unterstützen. Während Sozialwohnungen höchstens 7,80 Euro pro Quadratmeter kosten, beginnen frei finanzierte Neubauwohnungen bei etwa 13 Euro. Diese Lücke werden wir schließen. Deshalb wird die SPD in städtebaulichen Verträgen Wohnungsbaugesellschaften verpflichten, neben dem ersten und zweiten Förderweg auch Wohnungen nach einem neu zu schaffenden, dritten Förderweg zu bauen. Auf 15 Prozent der Fläche soll Wohnungsbau entstehen, der preislich bei rund 12 Euro pro Quadratmeter liegt.