1. Laufender Strukturwandel, Corona-Folgen, hohe Mieten: Wie halten Sie die Darmstädter Innenstadt attraktiv und lebendig?
Die Innenstadt braucht ein Update. Sie ist grau, mit wenig Grün, und durch die Bepflasterung, Hindernisse und ein fehlendes Blindenleitsystem nicht barrierefrei. Wir wollen die Innenstadt umgestalten und dabei mit dem Luisenplatz anfangen. Leitlinien beim Umbau sind Aufenthaltsqualität, Barrierefreiheit sowie Grün- und Sitzelemente. Idealerweise wird aus dem Luisenplatz ein belebter Platz mit mehr Gastronomie.
Ausgehend vom Zentrum weiten wir die Leitlinien auf die gesamte Innenstadt aus, hübschen sie auf und machen sie zugänglich für alle. Trotz Corona rechnen wir damit, dass der Trend zur Gastronomie bleibt. Gleichzeitig wollen wir einen Runden Tisch Einzelhandel 4.0 einsetzen, um Arbeitsplätze und Einkaufsmöglichkeiten zu sichern. Über den Bauverein wollen wir leerstehende Läden kaufen, um sie im Sinne der Einzelhandelsvermittlung weiterzuvermieten. Was auch darauf einzahlt: Der Bau von fünf Straßenbahnen für bessere Mobilität und ein Brunnensanierungsprogramm.
2. Der lebendigen Sub- und Clubkultur Darmstadts fehlt es an geeigneten Orten, Räumen und Möglichkeiten, um sich frei zu entfalten. Welche Schritte werden Sie ergreifen, um diesen Kultursektoren bessere Rahmenbedingungen zu bieten?
Wir lieben die Frage. Als wir sie uns im letzten Sommer gestellt haben, hat sich außer uns niemand in der Politik dafür interessiert. Wir wollen der Kultur- und Clubszene mehr Raum geben. Zu lange mussten die Darmstädter*innen zusehen, wie Einrichtungen verschwanden: Hillstreet, Level, Blumen, auch innovative Ideen wie Parties in der Glasbläserei oder in leerstehenden Gebäuden der Weststadt. Durch Corona hat die Kleinkunst- und die Theaterszene gelitten. Hier mangelt es ebenfalls an Räumen und Plätzen, in und auf denen Kreativität ausgelebt werden kann.
Wir wollen die Stelle einer*s Feierbeauftragten schaffen – einer Person, welche die Clubszene, Gastronomie, Jugendvertretungen sowie pädagogische und sicherheitsrelevante Einrichtungen an einen Tisch holt und das Nachtleben koordiniert. Zweitens wollen wir mehr kulturelle Angebote im öffentlichen Raum, auch draußen schaffen – und drittens durch die Ernennung von Nachtkapitän*innen dem Anwohner*innenschutz Rechnung tragen.
3. Wie nehmen Sie Rassist*innen und Rechtsextremist*innen in Darmstadt den Wind aus den Segeln, damit Darmstadt weltoffen bleibt?
Als Ex-Nazi-Hochburg haben wir eine Riesenverantwortung. Recht und Gesetz reichen als Gegenmaßnahmen nicht aus. Wir setzen intensiv auf antifaschistische Bildung: Wir schaffen eine Stelle für antifaschistische Arbeit bei der Stadt; außerdem eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle, an die sich Betroffene vertrauensvoll wenden können. Mit dem interkulturellen Büro haben wir damit einen Dreiklang, der die Strukturen gegen Rassismus deutlich stärkt.
Weitere Vorschläge: Ein NS-Dokumentationszentrum, mehr Demokratiebildung an Schulen, eine Dauerausstellung für Sinti und Roma. Wir führen Fachkonferenzen zu Verschwörungstheorien durch. Denn in der Verschwörungstheorie steckt der Aufruf zur Vernichtung.
Die SPD setzt auf Empowerment. Für uns sollen mehrere von Rassismus Betroffene ins Parlament einziehen. Wir wollen mit der jüdischen Gemeinde weiter eng zusammenarbeiten und den Ausländerbeirat stärken. Außerdem unterstützen wir antifaschistische Aktivitäten der Zivilgesellschaft.
4. Wohnraum ist in Darmstadt nach wie vor äußerst knapp. Wie möchten Sie konkret verhindern, dass Leben in Darmstadt zum Luxus wird?
Durch eine Doppelstrategie. Zunächst brauchen wir mehr Wohnraum. Durch Aufstockungen können bis zu 7.000 Wohnungen entstehen, ohne auch nur einen Quadratzentimeter neu zu versiegeln. Wir treiben die Konversion von Kasernen wie der Starkenburgkaserne voran, weisen aber auch neue Wohngebiete aus. Die SPD ist die einzige Kraft, die Teile der letzten unbebauten und unbewaldeten Flächen im Darmstädter Norden mit Wohnraum entwickeln will. Die anderen Parteien wollen entweder große Gewerbegebiete oder, was so einfach wie verantwortungslos ist, nichts machen. Tabu der SPD: Wir bebauen weder Stadtparks noch Wälder.
Neben dem Wohnungsbau braucht es mietdämpfende Maßnahmen. Wir entwickeln den Bauverein sozial weiter (Mietendeckel, Ankäufe, Ausschüttungsstopp), setzen auf eine sozial gerechte Bodennutzung nach Münchener Vorbild, nutzen mehr Vorkaufsrechte und schrecken auch nicht davor zurück, Investor*innen Höchstmieten aufzudrücken. Schließlich ist Wohnraum für Menschen da, nicht für Märkte.
5. Mit welchen konkreten Projekten begegnen Sie auf kommunaler Ebene der Klimakrise?
Klimaschutz ist Menschenschutz und die Klimakrise eine der größten sozialen Krisen unserer Zeit. Deshalb wollen wir Darmstadt bis 2035 klimaneutral machen, die Verwaltung und Eigenbetriebe als Vorbild schon bis 2030. Dafür werden wir einen Klimastab schaffen, der schnellstmöglich einen Projektplan mit konkreten und messbaren Maßnahmen vorlegt und diesen transparent und kontinuierlich fortschreibt.
Wir wollen eine Verkehrswende durch den Bau neuer Straßenbahnen und ein 300-Euro-Ticket. Wir unterstützen den Kohleausstieg durch eine Solarpflicht, einen Solarpark und Nachbarschaftsstromspeicher. Darmstadt ist Hessens Schlusslicht bei Solar, wir wollen Darmstadts Dächer blau machen. Und grün – das geht tatsächlich beides. Neben Dach- und Fassadenbegrünung wollen wir alle Parks und Wälder erhalten, die Innenstadt begrünen und – als kleine Zukunftsspinnerei – das Luisencenter in eine komplett grüne Oase verwandeln. Außerdem legen wir Programme zur energetischen Gebäudesanierung auf.
6. Wie kann die Herausforderung der Digitalisierung lokal als Chance genutzt werden, um Darmstadt besser zu machen?
Spürt ihr im Alltag, dass Darmstadt Digitalstadt ist? Wir auch nicht. Digitalisierung kann eine echte Chance sein, aber auch zu Ausgrenzung führen. Beispiel Schulen: Derzeit werden Kinder aus sogenannten bildungsfernen Milieus digital abgehängt, die Bildungsungleichheit nimmt zu. Nur 12 von 42 Schulen haben die Voraussetzungen(!) für W-Lan. Wir wollen raus aus der Kreidezeit und eine Digitaloffensive starten: Mit W-Lan, digitalen Endgeräten, neuen Medienkonzepten, Fortbildungen für Lehrkräfte, professionellem IT-Support und besserer IT-Ausstattung.
Außerdem treiben wir die Digitalisierung der Verwaltung voran, für einen effektiven Bürger*innenservice und gegen unnötige Behördengänge. Wir setzen auf einen Ausbau von On-Demand-Shuttles (natürlich mit Tariflöhnen), auf den Ausbau von Glasfaser, auf Medienpädagogik in der Jugend- und Senior*innenarbeit. Wir verfolgen konsequent einen Open Data-Ansatz. Um auch ein reales Problem zu nennen: Wir setzen einen Runden Tisch zu Hass im Netz ein.
7. Würden Sie beim Aufräumen des Rathauses in einem städtischen Tresor durch Zufall 10 Millionen Euro finden – wofür würden Sie das Geld ausgeben?
Das wäre eine tolle Überraschung. Mit dem Geld würden wir Erzieher*innen endlich besser bezahlen. Die Eingruppierung in die höhere Tarifstufe (Stufe S8b) kostet uns pro Jahr etwa 3,4 Millionen Euro. Wir machen das zwar unabhängig eines Millionenfundes, aber der Punkt ist uns erstens extrem wichtig und zweitens konnten wir ihn bei den Fragen noch nicht unterbringen. Merci.