„Was darf Kunst – und was nicht?“

13. Oktober 2022

Unter diesem Titel diskutierten auf Einladung des Darmstädter Kulturforums der SPD die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig, der Darmstädter SPD Oberbürgermeisterkandidat Hanno Benz und der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Darmstadt Daniel Neumann über die antisemitische Bildsprache im Zusammenhang mit dem Bild „People´s Justice“ vom Künstlerkollektiv Taring Padi aus Indonesien.

Ina Hartwig stellte zum Auftakt fünf Thesen zur Diskussion. Ihrer Auffassung nach lasse sich eine rote Linie nicht allgemeingültig definieren, sondern jedes Kunstwerk müsse einzeln betrachtet werden.

Kunst dürfe auf keinen Fall zur Illustration politischer Ideen, Wünsche oder Ideologien instrumentalisiert werden. Kunst hat eine Eigendynamik, die analysiert und beurteilt werden muss.

Im Hinblick auf die Versäumnisse der Documenta Leitung sagte Hartwig, dass es ein Fehler war, den historischen Kontext dieser Documenta auszublenden. Die Morde von Hanau, der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke oder auch die rechtsextremen Umtriebe in der Hessischen Polizei waren nicht auf dem Bildschirm. Die Fixierung auf die Frage Boykott und Sanktionen (BDS – Debatte) lenkte vom größeren Problem, dem Antisemitismus, ab.

Hanno Benz sagte, dass nicht verschwiegen werden dürfe, dass die Politik auch versagt habe. Sowohl die Kulturstaatsministerin der Bundesregierung als auch die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst und ihr Vorgänger hätten sich in Schweigen gehüllt. Auch die Lokalpolitik in Kassel habe mit ihrer Kommunikation, dass mit dem Abhängen des Transparents alles gut sei und man doch eine schöne Documenta genießen solle, falsch gelegen. Ein Kuratorenkollektiv muss kuratieren und nicht solche Sachen einfach laufen lassen.

Daniel Neumann schilderte die breite Diskussion, die in der jüdischen Community geführt werde. Er unterstrich, dass strafrechtlich relevante Darstellungen klar untersagt gehören. Aber der Vorfall zeige, dass Antisemitismus bekämpft und bearbeitet werden muss. Darin müssten sich auch Künstler einig sein.

In der angeregten, zweistündigen Diskussion, die von einem eigens für diesen Abend geschriebenen Beitrag der Darmstädter Gruppe Kabbaratz eröffnet wurde, durchleuchteten die Diskutanten aus unterschiedlichen Perspektiven die Frage, was Kunst darf. Museumsdirektoren, Künstler und Kunstkritiker meldeten sich zu Wort und bereicherten die Diskussion. Am Ende fasste ein Teilnehmer den Abend kurz und prägnant zusammen: Artikel 5 des Grundgesetzes postuliert die Kunstfreiheit, die ein hohes Gut ist. Aber nicht umsonst sagt Artikel 1, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Insofern sei unser Grundgesetz ein guter Orientierungsrahmen für die Diskussion und die Frage des Abends „Was darf Kunst – und was nicht?“.