Energieexperten legen Positionspapier vor – Entega soll Hilfsfonds aus Übergewinnen einrichten
Die SPD Darmstadt fordert die Stadtregierung auf, neben Einsparmaßnahmen endlich auch die sozialen Folgen der Energiewende anzugehen. Dafür haben die Sozialdemokraten Tim Huß und Hanno Benz ein vierseitiges Positionspapier vorgelegt – beide sind beruflich für den Energiesektor tätig. Das Papier trägt den Titel „In der Energiekrise solidarisch sein. Sicherheit und Perspektive für alle.“ und sieht vier Säulen vor: Die Dämpfung von Energiepreisen für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen, die Unterstützung von Menschen in Notlagen, die Senkung der Lebenshaltungskosten und die Stärkung der Wirtschaft.
„Wir wollen mit unserem Positionspapier neue Perspektiven für soziale Sicherheit schaffen. Bei der Lösung der Energiekrise darf es in Darmstadt nicht nur um Sparvorgaben gehen, sondern auch um Bezahlbarkeit, sozialen Ausgleich und die Bekämpfung von Energiearmut“, sagen Huß und Benz.
Die Stadt verfolgt das Ziel, 20 Prozent Energie bei öffentlichen Einrichtungen einzusparen. Bei Fragen der Bezahlbarkeit verweist sie aber immer nur auf Land oder Bund. „Niemand soll im Winter frieren oder im Dunkeln sitzen“, fordert die SPD in ihrem Positionspapier. „Dafür zu sorgen, ist auch Aufgabe der kommunalen Politik. Wir können und müssen vor Ort helfen.“
So will die SPD nach dem Vorbild der Münchner Stadtwerke einen Hilfsfonds der entega einrichten, mit dem Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen unterstützt werden. Dieser soll sich aus den Einnahmen der erhöhten Strom- und Gaspreise speisen. „In der Energiewirtschaft werden gerade Übergewinne gemacht, deren Besteuerung der Bundesfinanzminister leider verhindert“, kritisieren Huß und Benz. „Mit unserem kommunalen Versorger haben wir ein öffentliches Unternehmen in Darmstadt, dessen Übergewinne wir für sozialen Ausgleich nutzen können.“ Mit dem Hilfsfonds können Energiepreise gerade für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen gedämpft werden. Je nach Höhe der Einnahmen kann auch ein Energiegeld ausgezahlt werden – das lehnt der Oberbürgermeister ab, obwohl davon gerade Menschen mit wenig Geld profitieren würden.
Die Hilfe auf der Kostenseite soll aus Sicht des SPD-Papiers ergänzt werden um zwei Rettungsanker: ein Verbot von Gas- und Stromsperren und ein Kündigungsmoratorium. „Niemand soll die Energie abgedreht werden, niemand soll in Kälte und Dunkelheit sitzen und niemand darf die Wohnung verlieren, weil die Nachzahlungen zu hoch sind“, fordern Huß und Benz. Deshalb verlangt die SPD, für städtische Gesellschaften ein Kündigungsmoratorium einführen. Auch hier knüpft Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) ein Moratorium an finanzielle Hilfen von Bund oder Land. „Warum sich der Oberbürgermeister und die Stadtregierung selbst nicht für die sozialen Folgen der Energiekrise verantwortlich sehen, ist uns völlig unbegreiflich. Es geht hier um Existenzen“, sagen Huß und Benz.
Als dritte Säule will die SPD die Menschen bei den Lebenshaltungskosten entlasten. Dafür schlägt sie ein Bündel an Maßnahmen im Bereich der Wohnungs- und Verkehrspolitik vor. So sollen nach dem Vorbild vieler SPD-geführter Städte Milieuschutzsatzungen eingeführt und der Verkauf von Wohnungsgrundstücken gestoppt werden. Weiter erneuert die SPD ihre Forderung nach einem 300-Euro-Jahresticket für Bus und Bahn.
Als vierte Säule soll die Wirtschaft gestärkt werden. So fordert die SPD zur Unterstützung für regionale Unternehmen günstige Kreditvergaben und staatliche Bürgschaften. Aus Sicht der SPD erfordert die Krise das Vorziehen von Investitionen in klimafreundliche Technologien. Dafür braucht es mehr Fachkräfte – daher sieht das Positionspapier eine kommunale Ausbildungsoffensive vor.
„Eins ist vollkommen klar: Darmstadt muss jetzt handeln“, sagen Huß und Benz. „Energiearmut ist ein reales Problem in unserem Land geworden. Daseinsvorsorge heißt: Alle Menschen werden gleichermaßen und diskriminierungsfrei mit Energie und anderen Grundbedürfnissen des alltäglichen Gebrauchs versorgt. Dabei darf der soziale Status keinen Unterschied machen. Niemand soll im Winter frieren oder im Dunkeln sitzen, während andere in aufgeheizten Wohnzimmern sitzen. Dafür zu sorgen, ist auch Aufgabe der kommunalen Politik. Hierfür stehen wir.“
Darauf, dass der grüne Oberbürgermeister unseren Impuls komplett abgelehnt hat, erwidern wir wie folgt:
Sozialdemokraten bestehen auf ein städtisches Hilfspaket in der Energiekrise
„Die grün-geführte Stadtregierung hat mir ihrer Kommentierung gezeigt, dass sie den Menschen, die unter der Energiekrise leiden, nicht helfen will. Das halte ich für politisch blind und sozial ignorant“, so bewertet die SPD Darmstadt die Lösungen der Stadtregierung in der aktuellen Energiekrise. „Politisch blind, weil OB Partsch völlig übersieht, dass es hier um eine sozialpolitische Herausforderung geht. Sozial ignorant, weil sie infolge dieser Blindheit der Bevölkerung Hilfen verweigern“, kritisiert Tim Huß, Vorsitzender der Darmstädter SPD. Er fordert mit Nachdruck ein kommunales Hilfspaket, das für alle, die es brauchen, etwas tut.
Für die SPD offenbart die Energiekrise unübersehbar, dass der ökologisch notwendige Wandel eben auch eine soziale Dimension hat. „Die Einhaltung der Klimaziele können wir nur dann erreichen, wenn wir es sozial gestalten“, betont Huß. „Maßnahmen für das Klima dürfen niemanden arm machen.“
Doch genau das befürchtet er. Es sei unumstritten, dass auch weiterhin ein massiver Anstieg der Energiekosten um das Zwei- bis Dreifache drohe. Deshalb brauche es gerade jetzt schnellstmöglich Maßnahmen, um soziale Härten auszugleichen. „Welche Antworten hat unsere grün-geführte Stadtregierung darauf? Keine! Sie will den Energieverbrauch drosseln, der Bevölkerung aber nicht finanziell unter die Arme greifen“, bemängelt Huß.
Dabei brauche es gerade jetzt ein kommunales Hilfspaket. Doch von der Stadt komme das Gegenteil. „Alle Vorschläge, die wir unterbreitet haben, werden abgelehnt, Hilfen verweigert“, stellt Huß fest. Auch bei der Frage des Energiegelds blockiert die Regierung. „OB Partsch will kein Energiegeld für reiche Haushalte und verweigert deshalb die Auszahlung an kleine und mittlere Einkommen – das ist absurd. Alternative finanzielle Unterstützung schlägt er nicht vor“, so Huß.
Vor allem ärgert Huß sich über die Prioritäten. „Für Klimatickets, mit denen kaum jemandem geholfen ist, und für neue Magistratsposten ist immer Geld da. Bei finanzieller Unterstützung in Zeiten der Energiekrise blockiert die Koalition“, sagt Huß. „Darmstadt ist wohlhabend genug, um allen zu helfen, die Hilfe brauchen. Da lassen wir uns auch nicht arm reden.“