Den Wandel sozial gestalten: Arbeit & Wirtschaft

2. März 2021

Dies ist ein Ausschnitt aus unserem Magazin, welches du hier komplett lesen kannst.

„Gute Arbeit“ bedeutet nicht nur gute Bezahlung, sondern auch gute Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit.

Erwerbsarbeit sichert nicht nur Grundbedürfnisse, sondern auch gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb bedeutet „gute Arbeit“ für uns nicht nur gute Bezahlung, sondern gute Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit. Auf gute Arbeit hat die Stadt nur auf den ersten Blick wenig Einfluss. Wirtschaftsförderung und die Beschäftigung in Verwaltung und Stadtwirtschaft bieten Möglichkeiten, etwas zu guter Arbeit beizutragen. Kommunale Wirtschaftspolitik muss sich an Mensch und Umwelt orientierten, um sozial, beschäftigungswirksam und ökologisch zu sein. Sonst wachsen nur gesellschaftliche Probleme.

Die Wissenschaftsstadt Darmstadt ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort, sowohl für die Region als auch für Europa. Hier sind attraktive Industrie-, Dienstleistungs- und Hightech-Unternehmen sowie Start-ups und Agenturen aus vielen Bereichen tätig. Zusammen mit mehreren Hochschulen, über 30 Forschungseinrichtungen, teilweise mit internationalem Rang, leben wir in einer Stadt mit Zukunft. Das muss unterstützt werden.

Die Stadtverwaltung und Stadtwirtschaft wollen wir in Sachen guter Arbeit weiterbringen und auch bei städtisch finanzierten Trägern etwas erreichen. Hier geht es um 19.000 Beschäftigte. Auf Sozialberufe wollen wir besonders achten. Wer Verantwortung für Menschen übernimmt, leidet aktuell in besonderem Maße an Überlastung und Unterbezahlung. Sie brauchen mehr Respekt und Anerkennung statt Gewinnmaximierung und Kaputtsparen. Und auch bei Beschaffungen, Wirtschaftsförderung und Flächenvergaben sollen Standards guter Arbeit gelten.

Klein- und mittelständische Unternehmen

Bisher konzentriert sich Wirtschaftsförderung in Darmstadt auf Großunternehmen, insbesondere auf Marketing-, Marktforschungs- und Personalfragen. Wir wollen eine Erweiterung auf kleinere und mittelständische Unternehmen wie Einzelhandel, Gewerbe, Handwerk, Gastronomie, Kultur- und Kreativwirtschaft sowie Freischaffende. Sie sorgen für 80 Prozent der Güter und Dienstleistungen sowie für Arbeitsplätze in Darmstadt und Südhessen.  In diesem Zusammenhang müsste das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Darmstadt eine wichtigere Rolle einnehmen, damit kleine und mittlere Unternehmen besser mit Forschungseinrichtungen und Hochschulen kooperieren.

Einzelhandel und Nahversorgung

Mit einer Neuauflage des Darmstädter Einzelhandels- und Nahversorgungskonzepts wollen wir eine wohnortnahe Versorgung besser absichern und dabei die Gewerbevereine stärker einbinden. Gerade für Familien, Ältere und Menschen mit Einschränkungen ist das wichtig. In keinem Stadtteil sollten lange Wege zu Lebensmittel oder Medikamente notwendig sein. Wo Nahversorgung fehlt, aber leerstehende Geschäfte vorhanden sind, müssen über die bvd Gewerbe GmbH diese Flächen aufgekauft und an den Einzelhandel vermietet werden. Das sichert auch Arbeitsplätze. Und zur Nahversorgung gehört ein Branchenmix mit ausgewogenem Angebot. Die Planungen für einen zweiten ALDI-Markt in Arheilgen müssen beendet werden. Sinnvoller wäre die Ansiedlung eines Nahversorgers in Wixhausen. In Kranichstein brauchen das Einkaufszentrum am See und die Fasanerie-Passage eine Aufwertung.

Start-ups und Selbstständigkeit

In der Wissenschaftsstadt Darmstadt gibt es einen enormen Technologietransfer von Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Unternehmensgründungen. Branchencluster haben daher für uns eine zentrale Bedeutung für den Wirtschaftsstandort. Sie sorgen für Innovationen und Arbeitsplätze.

Die Förderung von Start-ups und Ausgründungen aus Universitäten muss aber dringend verbessert werden. Dazu gehört, Mittel der Europäischen Union aus der Förderperiode 2021-2027, des Bundes oder des Landes Hessen gezielter nach Darmstadt zu holen und einen neuen Fonds der Sparkasse Darmstadt für Risikokapital für Ausgründungen und temporäre Beteiligung an regionalen Unternehmen einzurichten.

Neben Geld benötigen junge Unternehmen Expertise und Netzwerke. Dazu gehören entsprechend neue Kapazitäten des Technologie- und Gründerzentrums Darmstadt (HUB31) und des Technologie- und Innovationszentrums Darmstadt (TIZ). Zusätzlich wollen wir einen Wettbewerb, bei dem Start-ups externe Beratung erhalten, um Ideen voranzubringen und der Öffentlichkeit vorzustellen. 

Industrie

Auch wenn Darmstadt kein klassischer Industriestandort ist und auch nicht werden soll, muss Industrie erhalten bleiben. Neben Produktion und Dienstleistungen müssen die rund 15 Prozent der Arbeitsplätze in der Industrie für eine stabile kommunale Wirtschaftsstruktur erhalten bleiben. Dazu muss zusammen mit allen Akteuren ein Konzept für eine soziale und ökologisch nachhaltige Industrie ausgearbeitet werden. Dabei geht es nicht um allgemeine Ziele, sondern um umsetzungsorientierte Maßnahmen, wie zum Beispiel Flächen, Transportanbindungen und schnellere Genehmigungsverfahren. Aber es braucht auch mehr Transparenz und Problemlösungen für Umweltbelastungen, Lärm und Emissionen. Alles zusammen unterstützt gute Arbeit und schafft Akzeptanz.

Glasfaser und Mobilfunk

Unternehmen und Start-ups brauchen eine gute Infrastruktur. Mittelfristig muss Darmstadt den Ausbau von Glasfaser bis in die Gewerbegebiete, Büros und Wohnungen (fibre to the home  FTTH) anstreben. Die Entega betreibt bereits selbst oder in Kooperationen den Glasfaserausbau. Hier wollen wir das Tempo erhöhen und die Kooperation mit dem Bauverein und anderen Wohnungsbaugesellschaften vorantreiben.

Bei der Versorgung über Mobilfunknetze hat Darmstadt noch Entwicklungsbedarf. In Richtung Eberstadt, in Wixhausen und Arheilgen besteht keine durchgehende LTE-Versorgung. An Standorten, bei denen Betreiber wegen fehlender Wirtschaftlichkeit keinen Ausbau vorsehen, wollen wir Lösungen über Initiativen von Bund oder Land oder über die Entega schaffen. Wir sprechen uns  für 5G aus und unterstützen Netzneutralität überall, wo es auf der kommunalen Ebene möglich ist. Auf unsere Initiative hin liegt bereits eine Bewerbung für eine 5G-Modellregion vor.

Soziale Standards

Die Stadt darf sich in Sachen guter Arbeit nicht drücken. Deshalb wollen wir die Bezahlung von Erzieher*innen durch eine höhere Eingruppierung verbessern. Erzieher*innen in Ausbildung erhalten bisher meist keine Vergütung. Dazu müsste die praxisintegrierte vergütete Ausbildung (PiVA) ausgebaut und mit städtischen Mitteln fortgesetzt werden. Und ein städtischer Mindestlohn von 12 Euro ist notwendig. Der gesetzliche reicht kaum für ein Leben in der Stadt. In der Stadtverwaltung kann er unmittelbar eingeführt werden. Tarifstufen unter 12 Euro werden dazu direkt abgeschafft. In der Stadtwirtschaft sind entsprechende Verträge möglich und bei freien und kirchlichen Trägern angepasste Leistungsvereinbarungen und Betriebskostenzuschüsse.

Laut dem Darmstädter Beteiligungsbericht 2018 liegt der Anteil an Frauen in städtischen Geschäftsleitungen bei 21 Prozent und in Aufsichtsgremien bei 28 Prozent. Der Anteil weiblicher Führungskräfte oder Aufsichtsratsmitglieder wird nur durch das erprobte, einzig wirksame Instrument erhöht: eine verbindliche Quote, damit Frauen 50 Prozent dieser Positionen besetzen können.

Derzeit gibt es bei Vergaben städtischer Aufträge viele Ökostandards. Diese müssen um Sozialstandards ergänzt werden, die gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden und Arbeitnehmervertretungen im Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Ausbildungsbereitschaft, Mitbestimmung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf festgelegt werden sollen. Sie sind dann mit dem Machbaren in Relation zu setzen, damit für große Unternehmen andere Maßstäbe gelten als für kleine. Auch bei Gewerbeflächen wären Konzeptvergaben ähnlich wie bei Wohnungsgrundstücken wichtig. So erhalten nicht die den Zuschlag, die nur viel Geld auf den Tisch legen, sondern die, die auch auf Sozialstandards achten. Und die allgemeine Wirtschaftsförderung müsste Standards guter Arbeit und soziales Unternehmertum mitfördern. Im Bereich Kunst- und Kulturbetrieb müsste geprüft werden, wie solche Standards Teil der Kulturförderrichtlinien sein können.

Stadtwirtschaft

Die Stadtwirtschaft muss in der Formulierung und Umsetzung kommunalpolitischer Ziele noch stärker einbezogen werden. Dazu ist über die Begrenzungen des § 121 der Hessischen Gemeindeordnung hinauszudenken und neben dem „Was“ auch über das „Wie“ nachzudenken. Allerdings besteht die Stadtwirtschaft aktuell vorwiegend aus gewinnorientierten Unternehmen. Wir möchten, dass Daseinsvorsorge und Grundversorgung wichtiger werden und Solidarität, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Transparenz eine größere Rolle spielen. Die aktuelle Stadtwirtschaftsstrategie von 2020 enthält solche Ziele. Aber Papier ist geduldig. Die Ziele könnten im operativen Handeln mehr Nachdruck erhalten. Dazu müssten die Unternehmen der Stadtwirtschaft demokratisch gesteuert werden. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass eine Stadtwirtschaft in Form einer Aktiengesellschaft die Gemeinwohlorientierung kompliziert macht. Das gilt insbesondere für den Bauverein, der eigentlich dazu beitragen muss, die Mietenentwicklung in den Griff zu bekommen, statt eigene Mieten zu erhöhen. Deshalb wollen wir die parlamentarische Steuerung der Stadtwirtschaft neu gestalten und dabei auch über eine Beteiligung von Betroffenen wie Mieter*innen oder Kund*innen nachdenken, indem sie Vertreter*innen in Aufsichtsräte wählen.

Die Stadtwirtschaft ist konsequent auf nachhaltigen Betrieb auszurichten. Dafür gibt es viele Möglichkeiten. Der Bereich Energie und Wasser muss mit Solarenergie und Speichertechnologien die Energiewende und nachhaltiges Wassermanagement voranbringen. Der Bereich Immobilien muss Wohnraum und Wohngebiete nachhaltiger entwickeln. Ein Mietendeckel darf dabei kein Tabu sein. Im Bereich Mobilität müssen ÖPNV-Verbindungen erweitert werden. Im Bereich Gesundheit und Soziales ist die medizinische Versorgung in allen Stadtvierteln zu sichern. Im Bereich Kultur und Freizeit braucht es eine neue Plattform für Kreative, die Sanierung von Schwimmbädern und bessere Bedingungen für Gaststätten und Clubs. Im Bereich Telekommunikation und IT müssen Glasfaserleitungen und 5G-Mobilfunk ausgebaut werden. Im Bereich Entsorgung und Abwasser stehen die Modernisierung des Kanalsystems und Entwicklung einer vierten Klärstufe an. Der Bereich Beteiligungsmanagement muss um eine bessere Start-up-Förderung erweitert werden.

Hast du Fragen oder Anmerkungen? Sende uns gerne eine E-Mail an: arbeit-wirtschaft@spd-darmstadt.de.

Digitalisierung

Technischer Fortschritt muss sozialer Fortschritt sein.

Die digitale Entwicklung schreitet stetig voran und bietet Kommunen viele Möglichkeiten. Wir möchten digitalen Fortschritt in die Bereiche Mobilität, Infrastruktur und E-Government bringen. Dazu gehören auch die Themen Datenschutz und Sicherheit.

Die Digitalisierung ist nicht auf einige Lebensbereiche beschränkt und keine individuelle Frage. Sie verändert die Art und Weise, wie wir zusammenleben, wie und wo wir arbeiten, wie und mit wem wir kommunizieren oder uns eine Meinung bilden. Sie ist ein gesamtgesellschaftlicher Vorgang. Deshalb muss sie politisch gestaltet werden – auch kommunalpolitisch.

Digitalisierung ist in viele Lebensbereiche eingezogen, beispielsweise  in unsere Arbeitswelt. Deshalb muss die Kommunalpolitik genau hinschauen, was das für Arbeitsplätze vor Ort bedeutet. Schulen müssen entsprechende Kompetenzen vermitteln, vom Umgang mit Geräten bis hin zum Verständnis, was mit Daten alles gemacht werden kann, was Datensicherheit ist und was Soziale Medien für unsere gesellschaftlichen Beziehungen bedeuten. Für öffentliche Einrichtungen, Unternehmen und Privathaushalte sind unter anderem Glasfaserverbindungen und 5G notwendig.

Hast du Fragen oder Anmerkungen? Sende uns gerne eine E-Mail an: digitalisierung@spd-darmstadt.de.