Die Arbeitsgemeinschaft der SPD Juristinnen und Juristen feierte traditionell im Staatsarchiv den Verfassungstag in Gedenken an die Entstehung des Grundgesetzes, diesmal mit vielen geladenen Gästen zum 100. Jubiläum der Weimarer Reichsverfassung und zum 70.Geburtrtsag des Grundgesetzes als die Basis für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland.
Beide Verfassungen sind Meilensteine in der deutschen Demokratiegeschichte und eng miteinander verknüpft. Dennoch war man in der jungen Bundesrepublik bemüht, sich von den Fehlern Weimarer Republik abzugrenzen, um deutlich zu zeigen, dass Bonn nicht Weimar ist, erklärte Jürgen Gasper bei der Begrüßung zur Veranstaltung und gab einen Hinweis auf das geplante Georg- August Zinn – Forum für Rechtspolitik am 7.9.2019 in Frankfurt, das zum Thema der Weimarter Verfassung stattfinden wird.
Nach den Grußworten und der geschichtlichen Einführung zum Thema durch die Landtagsabgeordnete Heike Hofmann wurde dann das Spannungsfeld der beiden demokratischen Verfassungen im Rahmen der Diskussionsveranstaltung näher beleuchtet von Dr. Yvonne Ott, die als Festrednerin vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angereist war.
Die Bundesverfassungsrichterin Dr. Yvonne Ott gliederte ihren Vortrag in drei Teile. Nach einer kurzen Einleitung über das Jahr 2019 als Jahr der Verfassungsjubiläen kam sie auf den ersten Hauptteil Ihres Vortrages, die Weimarer Reichsverfassung zur sprechen. Hier betonte sie, dass die Weimarer Reichsverfassung im Grunde eine sehr fortschrittliche Demokratie konstituiert hätte, weshalb man Weimar auch zu Recht als Grundrechtsrepublik bezeichnet. Ihr zufolge werde dies jedoch oft nicht gesehen, da die Weimarer Reichsverfassung fast ausschließlich an ihrem Scheitern gemessen wird. Gescheitert sei Weimar jedoch nicht wegen der Verfassung, sondern aufgrund der fehlenden Demokraten in der Republik. Deshalb nennt sie ihre These hierzu, dass man heutzutage mit minimalen Änderungen auch auf Grundlage der Weimarer Reichsverfassung eine funktionierende Demokratie errichten könnte.
Im zweiten Teil ihres Vortrages hat Frau Ott dann die Vorzüge des Grundgesetzes herausgestellt. Dessen Stärke sei der klar verständliche Text, welcher es ermögliche durch seine Entwicklungsoffenheit auch den aktuellen „Zeitgeist“ mit aufzunehmen und umzusetzen. Dies solle aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Grundgesetz auch deshalb so erfolgreich ist, weil es die Wertschätzung der Bevölkerung genieße und politischer Konsens darüber vorhanden sei.
Im dritten Teil nahm sie Stellung auf Fragen zur Wirkkraft des EuGH als Wahrer des Europarechts sowie des BVerfG als Hüter der Verfassung und auf Fragen zum Vorrang des Europarechts und seinen Grenzen. Gleichzeitig richtete sie – kurz vor der Europawahl 2019 – den Blick auf den europäischen Rechtsrahmen der 28 Mitgliedsstaaten und die erreichte Integration auf dem Binnenmarkt. Dabei lobte sie das Grundgesetz als europaoffen und wehrhaft, ging aber auch auf zukünftige Probleme wie den fortschreitenden Populismus und die fehlende Verankerung einer unabhängigen Justiz in einigen europäischen Ländern ein. Sie schloss mit den Worten, die auch die Gesamtaussage ihres Vortrages gut wiedergeben: „Demokratie braucht Demokraten“. Nach einer angeregten Diskussion endete die Veranstaltung in einer zuversichtlichen Stimmung in geselliger Runde.