Die SPD will eine Straße nach Mirjam Pressler benennen. Die in Darmstadt geborene jüdische Schriftstellerin und Übersetzerin der Tagebücher von Anne Frank ist am 16. Januar gestorben. Ihre Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben eine Generation geprägt. Eines ihrer Hauptthemen war die Shoa und ihr Umgang mit ihr. Die SPD schlägt vor, die Hindenburgstraße umzubenennen und Mirjam Pressler eine angemessene Würdigung zu erteilen. Dies soll auf einer Infotafel begründet werden.
„Keine Sprache der Welt kann ausdrücken, was vor wenigen Jahrzehnten in Deutschland passiert ist. Doch wenn es jemandem gelungen ist, den Schrecken der Shoa und das Leid der Opfer in Worte zu fassen, dann ist es Mirjam Pressler“, sagt der kommissarische SPD-Vorsitzende Tim Huß. „Sie sensibilisiert schon in Jugendromanen für die wichtigste Lehre der Geschichte. Damit vermittelt sie jene Empathie, die eine demütige und zivilisierte Gesellschaft braucht. Mich hat sie vor allem durch ihre Übersetzungen der Werke von Lizzie Doron geprägt. Wie eine komplett traumatisierte Generation allen Widrigkeiten trotzt und sich ein neues Leben in Israel aufbaut, ist eine traurige, faszinierende und sehr berührende Geschichte.“
Die Umbenennung der Hindenburgstraße drängt sich laut Huß geradezu auf. „Mit Hindenburg wird ein Hauptprotagonist der Schlacht um Verdun und von Hitlers Machtergreifung gewürdigt – das ist für niemanden nachvollziehbar, der für eine friedliche und freie Welt kämpft“, sagt Huß. Bereits 2005 empfahl die Straßenbenennungskommission einstimmig eine Umbenennung. In der Diskussion steht sie seit Jahrzehnten.
Weiter spricht sich Huß dafür aus, die Gründe der Umbenennung auf einer Infotafel festzuhalten: „Es muss erkennbar sein, warum ein deutscher Kriegsherr für eine jüdische Schriftstellerin auf dem Straßenschild weichen muss. Die Eliminierung Hindenburgs aus dem öffentlichen Raum ist ebenso wenig zielführend wie die unkommentierte Beibehaltung des Namens. Die neue Mirjam-Pressler-Straße soll nicht nur ein von falschen Denkmälern befreiter Ort sein, sondern ein Ort der Auseinandersetzung. Vielleicht auch ein Ort der unbequemen Konfrontation.“
Mirjam Pressler wurde am 18. Juni 1940 in Darmstadt geboren. Sie überlebte den Holocaust in einer Pflegefamilie und besuchte Gymnasien in Darmstadt und Bensheim. Nach ihrem Studium in Frankfurt und München verbrachte sie ein Jahr in einem israelischen Kibbuz, bevor sie nach Deutschland zurückkehrte. Hier widmete sie sich als freie Autorin und Übersetzerin den Herausforderungen junger Menschen und thematisierte insbesondere die Shoa und ihre Folgen für das jüdische Leben in Deutschland und Israel. Zu ihren bekanntesten Werken zählt Malka Mai, das die Flucht eines siebenjährigen jüdischen Mädchens und ihrer Familie vor den Nazis nachzeichnet. Pressler übersetzte auch die Tagebücher der Anne Frank und Romane von Amos Oz, Zeruya Shalevs, Uri Orlev und Lizzie Doron. Im März erscheint posthum ihr letztes Buch – es handelt von neuen antisemitischen Entwicklungen in Deutschland.