Unübertroffen, deutschlandweit führend: Bei der Verschuldung ist Darmstadt Spitzenreiter. Zu diesem Ergebnis kommt das Statistische Bundesamt. Für den verantwortlichen CDU-Kämmerer hat die Untersuchung jedoch „kaum Aussagekraft“ – für die SPD-Fraktion dagegen sehr wohl. Daher stellte sie jetzt den Antrag, eine Magistrats-Kommission zur Haushaltskonsolidierung einzurichten, unter Beteiligung aller Fraktionen.
Aussagekraft hin, Aussagekraft her – hierüber will Michael Siebel nicht streiten. Er hat seinen Antrag deshalb auf eine Basis gestellt, bei der er davon ausgeht, dass sie von der Stadtregierung als „aussagekräftig“ angesehen wird, nämlich die Haushaltssatzung der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Schließlich stammt die nicht aus der Feder des Statistischen Bundesamtes, sondern aus der des Kämmerers. Und hier stehen knapp 21 Millionen Euro an Miesen aus laufender Verwaltungstätigkeit. „Dieses Defizit wird uns ab kommendem Jahr richtig auf die Füße fallen“, meint der SPD-Fraktionssprecher.
Wie Siebel ausführt, hat sich Darmstadt an dieser Stelle bislang mit Kassenkrediten über Wasser gehalten. Doch die bekommt die Stadt dann nicht mehr. Grund ist die Teilnahme an der Hessenkasse, die den Griff nach Kassenkrediten verwehrt. „Obendrein verschärft sich die Lage noch, weil wir ab 2019 gezwungen sind, das Defizit aus laufender Verwaltungstätigkeit nicht bloß auszugleichen, sondern darüber hinaus einen Überschuss zu erwirtschaften, mit dem wir unsere Kredittilgung, gut 17,5 Millionen, zahlen können“, erläutert Siebel unter Verweis auf den Finanzplanungserlass aus dem Hessischen Innenministerium. „Unter dem Strich müssen wir dann also 37 Millionen auftreiben, ansonsten gehen wir baden, weil der Haushalt nicht mehr genehmigungsfähig sein wird.“ In seinem Antrag schreibt Siebel deshalb als eine Aufgabe für die einzurichtende Magistratskommission vor, sie möge ein Konzept für die Lösung dieser prekären Situation erarbeiten.
In einem weiteren Arbeitsauftrag greift Siebel Gelder auf, die bereits jetzt für die kommenden Jahre fest verplant sind. „Verpflichtungsermächtigungen“ nennt sich dieses Vorgehen, mit dem die Parlamente über das jeweilige Haushaltsjahr hinaus Ausgaben festschreiben, die dann zweckgebunden getätigt müssen. Hierzu zählt etwa die Umgestaltung des Willy-Brandt-Platz/Mathildenplatz. Hierfür sind in den kommenden drei Jahren insgesamt knapp 16 Millionen festgeschrieben; für den Neubau der Brücke Rheinstraße über die Bahn sind es insgesamt 18 Millionen bis 2022. Weitere Projekte, für die über das aktuelle Haushaltsjahr hinaus schon Gelder festgeschrieben wurden, sind unter anderem die ÖPNV-Erschließung Lichtwiese, die Haltestelle Nordbahnhof, die Wartehalle an der Haltestelle Eberstadt, der Ersatzneubau der Brücken Stirnweg und Hilpertstraße, die Erneuerung der Brücke Modaustraße, oder auch die Nieder-Ramstädter Straße. Insgesamt sind bis 2022 bereits 70 Millionen Euro „ermächtigt“.
„Das müssen wir bedenken“, mahnt Siebel. „Vor allem muss die Frage geklärt werden, wie wir damit umgehen, wenn wieder Kostensteigerungen auftauchen. Denn seit Grün-Schwarz regiert, existieren die bei uns mit der Selbstverständlichkeit und Unabwendbarkeit von Naturgesetzen.“ Das Parlament aber ist lediglich auf die festgeschriebenen Summen verpflichtet, nicht jedoch auf Mehrkosten, wie der SPD-Fraktionschef betont. In diesem Falle stelle sich dann die politische Frage, entweder Bauruinen zurück zu lassen, oder weiteres Geld rein zu pumpen, um das Projekt fertig zu stellen. Siebel geht beides gegen den Strich. „Ein unvollendetes Werk ist bislang nur Beethoven zu Ruhme gereicht und Bauruinen sind nicht zu verantworten“, meint er. „Ebenso wenig sind aber die permanenten Mehrkosten zu verantworten. Diese Salami-Taktik ist nicht hinnehmbar.“ Deshalb soll die Magistrats-Kommission vor dem Hintergrund der zur Sitte gewordenen Mehrkosten eine Strategie für den Umgang mit den Verpflichtungsermächtigungen erarbeiten. „Und vielleicht“, so hofft Siebel, „kommen wir ja auch mal dahin, in den kalkulierten Kostenrahmen zu bleiben, anstatt sie ständig zu sprengen. Denn das wäre die beste Lösung.“
Ein dritter Arbeitsauftrag an die geforderte Magistrats-Kommission betrifft die Eigenkapitalquote der Stadt, ein Wert, der aufzeigt, wie viel Darmstadt investiert und damit besitzt. Sie hat sich geringfügig verbessert und ist von 13 auf 14 Prozent gestiegen. Nach Siebels Ansicht immer noch extrem niedrig. „Mindestens 30 Prozent sollten es sein.“ Die Kommission soll deshalb einen Vergleich mit anderen Städten und darauf aufbauend ein Konzept erarbeiten. Die SPD-Fraktion möchte, dass es hier nach oben geht. „Erstens garantiert eine hohe Eigenkapitalquote, dass auch in schwierigen Zeiten ein ausreichendes Polster vorhanden ist. Zweitens geht es um Generationengerechtigkeit“, begründet Siebel die Haltung seiner Fraktion. „Wir können das Nettovermögen nicht aufzehren und unsere Kinder dann vor dem Nichts stehen lassen.“
Schlussendlich soll die Magistrats-Kommission auch eine Strategie entwickeln, wie der nächste Haushalt ausgeglichen werden kann, insbesondere unter Verzicht auf Einmal-Effekte. „Es bringt uns nicht weiter, unsere Verschuldung weg zu reden. Davon verschwindet sie nämlich nicht. Realitätsverweigerung macht alles nur noch schlimmer. Wir müssen uns nun mal eingestehen, dass es miserable aussieht. Dann können wir auch daran arbeiten, das zu ändern“, meint Siebel. „Wir haben mit unserem Antrag hierfür die Initiative ergriffen. Nun liegt es an den übrigen Fraktionen, mitzuziehen und gemeinsam für eine Zukunft unserer Stadt zu arbeiten, die auf einem soliden Fundament steht, das auch nachfolgende Generationen trägt.“