Am 07. Juli hat der Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt erklärt, dass es am Standort Böllenfalltor keinen Stadionneubau geben wird. Vielmehr soll das jetzige Stadion saniert werden. Sowohl im Hinblick auf die Stadionmodernisierung als auch für den Neubau eines Stadion hat die SPD-Stadtverordnetenfraktion erheblichen Klärungsbedarf. „Ein zeitnaher Neubau scheint von städtischer Seite nicht mehr im Fokus zu stehen“, sagen der stellvertretende SPD-Fraktionssprecher und sportpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Moritz Röder und der SPD-Stadtverordnete Tim Huß.
Beide haben heute auf einer Pressekonferenz klargestellt, dass sie weiterhin einen Stadionneubau wollen, auch wenn dieser an einem anderen Standort vollzogen wird. Es müsse allerdings klar sein, wie der neue Prozess der Findung eines Standorts gestaltet wird. Die provisorische Modernisierung, wie der Oberbürgermeister sie vorgeschlagen hat, unterstützt die SPD im Grundsatz; sie sieht aber baurechtliche, lizenzrechtliche und statische Hürden. In jedem Falle darf die Finanzierung des neuen Stadions nicht gefährdet werden: Daher müssen alle unnötigen Modernisierungsmaßnahmen, die nicht für die Lizenzierung notwendig sind, eingespart werden. Außerdem müsse geklärt werden, ob der Landeszuschuss aus dem Landesausgleichsstock für die Sanierung oder für den Neubau zur Verfügung steht. „Wir sind der Auffassung, dass die Mittel nur für den Neubau bereitgestellt werden sollten“, sagt Röder. Außerdem kündigte Röder heute eine neue Große Anfrage an, um die offenen Fragen zu klären.
„Die SPD tritt weiterhin für ein neues Stadion ein. Die Suche nach einem neuen Standort für den Neubau muss unverzüglich und mit Hochdruck angegangen werden. Wir wollen ein transparentes Verfahren, in dem auch die Bürgerinnen und Bürger das Für und Wider einzelner Standorte abwägen und diskutieren können“, sagt Röder. Keinesfalls will die SPD, dass am Ende einfach ein neuer Standort aus dem Hut gezaubert wird, ohne dass die Auswahlkriterien klar und nachvollziehbar benannt werden. Die Stadt muss aus ihren Fehlern lernen und aus der Standortsuche einen qualitativ hochwertigen Prozess machen. Die mangelhafte Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2013 ist für die heutige verfahrene Situation mitverantwortlich.
„In der Stadionfrage ist Darmstadt nicht Pionier, sondern Nachzügler“, sagen Röder und Huß. „Daher können wir nicht verstehen, dass der Oberbürgermeister ein Provisorium scheinbar für ausreichend hält. Das Böllenfalltor für die Lizenzierung zu modernisieren, ist vom Gedanken her richtig. Dieser Prozess darf aber nicht der Ersatz eines Stadionneubaus werden.“
Ob die Modernisierung tatsächlich realisiert werden kann, steht allerdings noch in den Sternen. „Die Modernisierung ist ein Prozess, der genauso scheitern kann wie das Bauleitplanverfahren. Das muss die Stadt von Anfang an transparent und ehrlich kommunizieren“, sagt Huß. „Auch bei einer Modernisierung gibt es verschiedene Hindernisse. Das sind erstens baurechtliche Hürden. Die Stahlrohrtribünen brauchen eine Baugenehmigung, für die ähnliche Voraussetzungen vorliegen müssen wie bei einem Bebauungsplan. Dazu gehören ein Parkraumkonzept und ein Immissionsschutzkonzept. Ohne ein immissionsschutzrechtliches Gutachten dürften nicht einmal die Stahlrohrtribünen genehmigungsfähig sein. Zweitens gibt es lizenzrechtliche Hürden. In der Lizenzierungsordnung der DFL finden sich 15 Bestimmungen, die am Standort Böllenfalltor schwer oder gar nicht einzuhalten sind. Das betrifft vorwiegend Rettungswege, sanitäre Anlagen und Medienflächen. Darüber hinaus müssen Polizei, Feuerwehr und Rotes Kreuz jedes Jahr ihr Einverständnis für das Stadion geben. Der SV 98 ist also auf den guten Willen von DFL und Sicherheitsträgern angewiesen, wenn er weiterhin seine Spiele in Darmstadt austragen will. Die dritte Hürde betrifft die Statik. Die Gegengerade ist auf Kriegsschutt gebaut, in dem sich Hohlräume bilden, die jedes Jahr größer werden. Es ist unklar, ob überhaupt weitere Baukörper wie ein Dach angebracht werden können. Das müsste eine Machbarkeitsstudie klären. In jedem Fall verspricht die Gegengerade keine langfristige Nutzung mehr, da sie irgendwann gesperrt werden muss.“ Huß stellt klar, dass diese Hürden die Modernisierung nicht automatisch zum Scheitern verurteilten. „Sie zeigen aber, dass im worst case eine Modernisierung nicht möglich ist. Für diesen Fall braucht es wieder einen Plan B, der nur ein Stadionneubau sein kann. Umso wichtiger ist es, sofort mit den Planungen für einen Neubau an anderem Ort zu beginnen. Auf dem Standort und den Finanzierungsmöglichkeiten muss jetzt das Hauptaugenmerk liegen.“
Deshalb sollten auch bei der provisorischen Modernisierung nur die lizensierungsrelevanten Maßnahmen durchgeführt werden. Dagegen braucht es keine Baumaßnahmen am Böllenfalltor, die für die Lizenzierung unwichtig sind und die nach kurzer Nutzung wieder abgerissen werden. Dazu gehört der Umbau der Böllenfalltorhalle und der Haupttribüne, der einen großen Hospitality-Bereich ermöglichen soll. „Wir begrüßen es, dass das Stadion fit für das Lizenzierungsverfahren gemacht wird“, sagt Huß. „Alle anderen Maßnahmen, wie der Ausbau Business-Plätze, sind hingegen Geldverschwendung. Das Geld ist im Neubau besser angelegt. Auch der Verein braucht kein kurzfristiges Bonbon, sondern langfristige Perspektiven.“ Weiter kritisiert die SPD, dass für die Modernisierung die Zuweisung aus dem Landesausgleichsstock genutzt werden soll. Huß: „Die Landeszuweisung war für ein neues Stadion gedacht und nicht für ein Provisorium. Diese Mittel jetzt für einen anderen Zweck zu verausgaben, gefährdet die Finanzierung des Neubaus.“
All diese Punkte zeigen, wie kompliziert selbst kleinere Baumaßnahmen am Böllenfalltor sind. „Die Energie der Kommunalpolitik muss sich daher auf den Erwerb und die Bebauung neuer Stadionflächen konzentrieren“, sagen Röder und Huß. „Darmstadt ist eine Fußballstadt und braucht ein bundesligataugliches Stadion!“