Die Stadt, die Luft und der Verkehr – die SPD-Fraktion will jetzt, dass sich endlich etwas bewegt, und zwar zum Besseren. Für die morgige Stadtverordnetenversammlung hat sie deshalb eine „aktuelle Stunde“ beantragt. „Großes Verkehrspaket für saubere Luft“, lautet der Titel. „Das Herumdoktern an einzelnen Elementen führt zu nichts. Was wir brauchen, ist ein umfassendes Konzept, das uns nicht im Verkehr und in Abgasen ersticken lässt“, sagt Fraktionssprecher Michael Siebel.
Die SPD-Fraktion fordert den Magistrat auf, endlich ein großes Verkehrspaket zu schnüren. Hinein gehört nach Siebels Ansicht ein Mix aus ÖPNV, Radwegen, Car-Sharing und E-Mobilität. Es werde nämlich nicht ausreichen, allein auf Elektroautos zu setzen. „Das würde uns zwar frische Luft bescheren, uns aber nicht vor dem Verkehrs-Kollaps bewahren“, meint der Kommunalpolitiker. „Wir brauchen deshalb Lösungen, die unseren Bürgern alternative Mobilität anbieten, deren Nutzung attraktiv ist. Ansonsten bleibt die Verkehrswende auf der Strecke.“ In dieser Hinsicht betrachtet die SPD-Fraktion das Diesel-Urteil als eine Chance, endlich Lösungen anzuschieben, die seit Jahren überfällig sind.
Fahrverbote hingegen sind keine Lösung, wie Siebel klarstellt, ganz im Gegenteil: Als beschämend empfindet die SPD-Fraktion das Herumlavieren der grün-schwarzen Stadtregierung auf das Diesel-Urteil. „Anstatt Straßensperrungen zu verkünden und sie kurz darauf wieder als Unsinn zu verwerfen, muss der Magistrat jetzt endlich ein umfassendes Konzept vorlegen“, verlangt Siebel.
Das Urteil in Leipzig war kaum gesprochen, da kündigte die Stadt drei Straßensperrungen an, obgleich das Bundesverwaltungsgericht dies nicht per se verlangt, sondern nur als letzte Möglichkeit gestattet hat. „Hier hat unser grüner Oberbürgermeister richtig Gas gegeben, aber in die falsche Richtung. Bei der tatsächlich nötigen Verkehrswende jedoch fährt er mit angezogener Handbremse“, kommentiert Siebel. Geradezu peinlich sei es im weiteren Verlauf geworden. Es währte keine Woche, da manövrierte der Magistrat wieder zurück. Er tat seine eigene Antwort auf das Diesel-Urteil als widersinnig ab. Simulationen hätten gezeigt, dass Straßensperrungen zu einer Verlagerung von Verkehr und Abgasen führen. „Das ist jedem Bürger klar. Bloß unserem Magistrat nicht. Der braucht dafür extra eine Simulation“, ärgert sich Siebel.
Für ihn ein Offenbarungseid. „Das zeigt, dass die grün-schwarze Stadtregierung mit leeren Händen dasteht.“ Dabei gebe es durchaus Konzepte in den Schubladen. Doch die blieben ungenutzt, weil sie von der Opposition stammten. „Stattdessen bekamen wir einen Akt vorgeführt, der einer Wissenschaftsstadt unwürdig ist und an eine Episode aus Schilda erinnert.“ Umso erstaunlicher sei dies, weil das Leipziger Urteil lange erwartet wurde. Doch anstatt die Verkehrswende einzuläuten, habe die Stadt Zeit und Ressourcen verschwendet, um nutzlose Straßensperrungen auszutüfteln und anschließend zu verwerfen. „Wir dürfen gespannt sein, was uns Bürger dieser Aberwitz noch kosten wird“, sagt Siebel. „Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen“.
Zum Lachen aber ist der SPD-Fraktion mit Blick auf die Luftwerte nicht zumute. Bundesweit zählt Darmstadt zu den Städten mit der höchsten Belastung durch das Umweltgift Stickoxid. „Die Gesundheit unserer Bürger darf nicht länger durch Inkompetenz fahrlässig aufs Spiel gesetzt werden“, sagt Siebel. Es sei jedoch bezeichnend für die grün-schwarze Stadtregierung, dass sie die Situation offenbar aussitzen wolle. Nach ihrer Blamage durch das „Fahrverbot Hick-Hack“ seien keine weiteren Initiativen vom Magistrat gekommen. Das zeige auch die Tagesordnung der morgigen Stadtverordnetenversammlung. „Für die große Verkehrswende, die wir brauchen, hat Grün-Schwarz nichts zu bieten“, kommentiert Siebel. „Ob sie nicht willens, oder nicht fähig sind, sei dahin gestellt. Tatsache ist, sie liefern nichts.“
Wer liefert, sind die Linken und UFBASSE. Doch den Antrag der Linken, samstags einen kostenlosen ÖPNV probeweise anzubieten, bewertet Siebel als idealistisch, „aber in der Realität derzeit nicht umzusetzen.“ Seine Fraktion werde diesen Antrag deshalb ablehnen. „UFBASSE“ hat eine Resolution für die morgige Parlamentssitzung beigesteuert, „Nachrüsten statt Fahrverbote“ heißt es darin. Gefordert wird, nach dem Verursacher-Prinzip vorzugehen, und die Automobilkonzerne für das Nachrüsten betroffener Diesel-PKW zahlen zu lassen, anstatt die Kosten auf den betrogenen Käufer abzuwälzen. Siebel hierzu: „Das ist alles richtig, das können wir alles unterschreiben und werden daher auch zustimmen. Aber es ist nur eine Resolution.“ Obendrein gibt der SPD-Fraktionssprecher zu bedenken, dass die Frage der Haftbarmachung der Automobil-Industrie nicht im Darmstädter Stadtparlament zu entscheiden und zu regeln sei, sondern nur vom Bundesgesetzgeber in Berlin. „Wir sollten uns besser um das kümmern, was wir hier in Darmstadt tatsächlich gestalten, entscheiden und auf den Weg bringen können. Und das sind keine Haftungs-Regelungen, wohl aber die städtische Verkehrswende. Zu der sind wir unseren Bürger verpflichtet.“