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Protest gegen Schließung einer Grundschule FAZ

11. November 1999

spi. DARMSTADT. Über die Frage, wie groß eine Grundschule sein muss oder sein darf, ist im Stadtteil Arheilgen ein heftiger Schulstreit entbrannt. Der Magistrat will einen Grundschulstandort im Süden des Stadtteils aufgeben, weil die zu erwartenden Schülerjahrgänge für eine durchgehend zweizügige Organisation nicht mehr ausreichen. Die Kinder sollen eine Grundschule in der Ortsmitte besuchen. Die Entfernung zwischen beiden Schulen liegt mit rund 1,8 Kilometern knapp unter der amtlich zumutbaren Distanz von zwei Kilometern. Kindern im Alter von sechs oder sieben Jahren sei es nicht zuzumuten, argumentieren die Eltern, sich um 7 Uhr früh auf einen 45 Minuten langen Schulweg zu begeben, um zur ersten Stunde um 7.50 Uhr in der Schule zu sein. Man werde Fahrgemeinschaften bilden müssen, sagte die Sprecherin einer Elterninitiative Susanne Greiner-Bechert, um die Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen.

Auch die Größe der zusammengelegten Grundschule erscheint den Eltern bedenklich. Mehr als vier Parallelklassen halten sie in dieser Schulstufe nicht für zumutbar. Zwar werden zur Zeit an beiden Schulstandorten im Jahr nur rund 100 Kinder eingeschult, was die Vierzügigkeit nicht überschreiten würde, aber die Eltern weisen auf große Neubaugebiete hin, die in Arheilgen in den nächsten Jahren entstehen werden. Sie befürchten, dass sich die konzentrierte Grundschule zu einem sechszügigen Moloch auswachsen könnte oder dass die nun geplante Zusammenlegung schon in wenigen Jahren wieder rückgängig gemacht werden muss. Im Schulentwicklungsplan werden nach Recherchen Greiner-Becherts für die Jahre 2000 bis 2005 im gesamten Stadtteil neun bis zehn Grundschuljahrgänge prognostiziert. Die Einwohnerzahl soll von derzeit rund 21000 auf 34000 steigen.

Das Arheilger Schuldilemma hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte, in deren Verlauf es mehrfach zu Veränderungen der Schulstrukturen und zur Verschiebung von Schulformen zwischen vorhandenen Gebäuden und Standorten gekommen ist. Zu dieser Geschichte gehört, dass vor 33 Jahren, als in den umliegenden Neubauten geburtenstarke Jahrgänge heranwuchsen, die Thomas-Mann-Schule, eine Haupt- und Realschule an der Hebbelstraße, um eine Grundschule in drei Pavillonbauten erweitert wurde, die den Namen Brüder-Grimm-Schule erhielt. Daneben gab es in Arheilgen zwei weitere Grundschulen, die Wilhelm-Busch-Schule im äußersten Norden und die mit einer integrierten Gesamtschule verbundene Carl-Ulrich-Schule in der Ortsmitte am so genannten Stadtweg. Inzwischen sind die Carl-Ulrich-Schule und die Thomas-Mann-Schule auf der Sekundarstufen-Ebene zu einer kooperativen Gesamtschule unter der Bezeichnung Stadtteilschule vereinigt worden. Auch die Grundschulklassen der Carl-Ulrich-Schule und der Brüder-Grimm-Schule wurden zusammengefasst und erhielten den neuen Namen Astrid-Lindgren-Schule.

Deren Zentrale sitzt zwei- bis dreizügig im Gebäude der früheren Carl- Ulrich-Schule am Stadtweg, die ehemalige Brüder-Grimm-Schule wird als Filiale in den Pavillons an der Hebbelstraße betrieben. Das erscheint der Stadt und der Schulleitung auf Dauer nicht mehr sinnvoll. Unter Hinweis darauf, dass die Schülerzahlen in den beiden letzten Jahren nur noch ausgereicht hätten, um jeweils eine – entsprechend große – Klasse zu bilden, wurde eine Auflösung des Grundschulstandorts an der Hebbelstraße ins Auge gefasst. Die vierte Klasse besucht seit Beginn des Schuljahres bereits die Zentrale am Stadtweg. Neben organisatorischen Gründen werden für die Zusammenlegung auch pädagogische Argumente angeführt. Mit vier Klassen und vier Lehrern sei eine sinnvolle pädagogische Arbeit nicht möglich, heißt es. Die Lehrer, die an der Filiale unterrichteten, vermissten den Kontakt zum übrigen Kollegium und die Einbindung in ein gemeinsames Unterrichtskonzept. Dagegen wenden die Eltern ein, dass es in Darmstadt andere kleine Grundschulen von durchaus vergleichbarer Größe gibt, etwa im Stadtteil Eberstadt. Sie argwöhnen, dass hinter der Schließung der Filiale an der Hebbelstraße Raumansprüche der Stadtteilschule stehen, die ihren Schwerpunkt an diesem Standort ausbauen will.

„Wir setzen uns für alles ein, was pädagogisch sinnvoll, finanzierbar und machbar ist”, hat der Ortsvereinsvorsitzende der SPD, Hanno Benz, dem Vernehmen nach gesagt. Die Partei hat sich für die Schließung der Grundschulklassen an der Hebbelstraße ausgesprochen. Dagegen meinen die Eltern, hier werde „Schulorganisation zu Lasten von Kindern und Eltern betrieben”.