VIEL PLATZ – WENIG SOLAR: Auf dem Dach des Berufsschulzentrums Nord hätten laut ENTEGA 1.500 kWp realisiert werden können. Die Stadt hat sich jedoch für eine Mini-Anlage mit 18 kWp entschieden.
Mehr Tempo fordert die SPD-Fraktion beim Solar-Ausbau in Darmstadt. „Der Klimawandel zwingt uns dazu, hier Vollgas zugeben. Aber die Stadtregierung fährt mit angezogener Handbremse“, kritisiert Phil Lehman, umweltpolitischer Sprecher. Aktuelles Beispiel: Auf dem fast fertig sanierten Berufsschulzentrum Nord wird nur eine winzig kleine Solaranlage aufgestellt werden. Das offenbart die Antwort des Oberbürgermeisters auf eine Anfrage von Lehmann. „So kann das in Darmstadt nicht weitergehen“, sagt der Umweltexperte der SPD-Fraktion.
Darmstadt und Photovoltaik auf städtischen Gebäuden: Für Lehmann eine Geschichte, in der Langsamkeit offenbar das Leitmotiv ist. So erinnert er daran, dass die Stadt zwischen 2013 und Ende 2019 nur fünf Solar-Anlagen auf den eigenen Gebäuden fertiggestellt hat. Um die Stadt zu motivieren, hier mehr Gas zu geben, hatte die SPD-Fraktion die Teilnahme an der Städte-Solar-Challenge „Wattbewerb“ beantragt und hatte sogar Erfolg. Die Wissenschaftsstadt hat sich bei diesem Wettbewerb eingeklinkt. Was ist daraus geworden?
„Man sollte ja meinen, dass gerade eine von Grünen regierte Stadt hier eine Spitzenreiter-Position einnimmt“, sagt Lehmann. „Tatsächlich aber ist leider das Gegenteil der Fall.“ Zwar ist die Stadt in der Rangliste um einen Platz nach oben geklettert. Trotzdem dümpelt sie im hinteren Bereich. So erreicht Darmstadt noch nicht einmal die Hälfte des Zubaus von Solar-Dächern, die Städten wie Ulm oder Paderborn gemeistert bekommen. Beide Städte sind kleiner als Darmstadt. Woran hängt es, dass Darmstadt hier eine so schlechte Figur macht?
„Das Problem ist hausgemacht“, meint Lehmann. Als Beleg führt er die Antwort des Oberbürgermeisters auf seine Anfrage zum Berufsschulzentrum Nord an. Demnach bleibt die Solar-Anlage auf dem dortigen Dach weit hinter den Kapazitäten zurück, die sie haben könnte. Laut der ENTEGA hätten 1.500 kWp Leistung realisiert werden können. Voraussetzung: die Stadt hätte bei der Dachsanierung die Aufbauten entfernen müssen. Ohne die Entfernung wären noch 335 kWp möglich gewesen. Zudem wurde eine Minimallösung mit 99 kWp ins Spiel gebracht. Die nachteilige Energieausbeute hätte auf einer anderen Seite einen Gewinn gebracht. Gewisse Formalitäten hätten mit der Minimallösung von 99 kWP umgangen werden können.
Die Stadt aber hat sich nicht für die Minimallösung entschieden, sondern diese sogar noch weit unterboten. Tatsächlich werden nur magere 18 kWp realisiert, wie aus der Antwort des Oberbürgermeisters hervorgeht. „Es ist absolut unverständlich, warum hier die Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft werden“, sagt Lehmann. „So manches Einfamilienhaus erzeugt mehr Strom mit seinem Solar-Dach, als das für 5.500 Schüler*innen ausgelegte Berufsschulzentrum.“ Die Kosten für die Sanierung und Erweiterung des Berufsschulzentrums sind immer weiter gestiegen, die Erneuerbaren Energien sind immer weiter geschrumpft, wie Lehmann zusammenfasst.
Nicht bloß geschrumpft, sondern mittlerweile gänzlich verschwunden sind die ursprünglich geplanten Photovoltaik-Module auf dem Dach der neu errichtete Mensa. Dabei hat das Stadtparlament 2020 das Sofortprogramm Klimaschutz beschlossen, das auf allen städtischen Gebäuden Solar-Anlagen vorsieht. „Davon ist hier nun keine Rede mehr. Dafür werden vom Oberbürgermeister Gründe genannt, warum die Energiewende auch hier gebremst wird, zum Beispiel der Brandschutz. Der hätte aber während der Planung berücksichtigt werden können“, meint Lehmann. Für ihn ist der Brandschutz – wiedermal – willkommene Ausrede, wie auch an anderen Stellen, wo er für leere Flughäfen und Kostensteigerungen herhalten muss.
Lehmanns Fazit: „Erneuerbare Energien sind die einfachste Möglichkeit für mehr Klimaschutz. Dafür braucht es aber mehr als Lippenbekenntnisse.“ Deswegen fordert er Solaranlagen auf allen geeigneten städtischen Dächern bis zum Jahr 2025. „So zollen wir zukünftigen Generationen Respekt, indem wir unseren Beitrag für eine lebenswerte Zukunft leisten.“ Eine Frage hat Lehmann allerdings noch: „Es waren doch die Grünen, die sich mal Umwelt- und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hatten. Was ist daraus geworden?“